Korrigieren Sie das Wohngeldgesetz

13.04.2021 | damit Steuerentlastungen Alleinerziehenden nicht auf die Füße fallen!

Haus mit Geldscheinen

Offener Brief der AGIA, Diakonie Deutschland, SHIA und des VAMV

Korrigieren Sie das Wohngeldgesetz, damit Steuerentlastungen Alleinerziehenden nicht auf die Füße fallen!

Sehr geehrter Herr Bundesminister Seehofer, sehr geehrte Frau Bundesministerin Giffey, sehr geehrter Herr Bundesminister Heil,
das Wohngeldgesetz bedarf dringender Änderungen, damit der erhöhte steuerliche Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nicht existenzbedrohend für geringverdienende Einelternfamilien im Wohngeldbezug wird.

Der Entlastungsbetrag in der Steuerklasse II gemäß § 24b Einkommenssteuergesetz (EstG) wurde im letzten Jahr von 1.908 auf 4.008 Euro angehoben. Mit diesen Steuererleichterungen sollen die Mehrbelastungen von Einelternfamilien abgefedert werden, die in der Coronakrise besonders deutlich werden.

Ausgerechnet für den Teil der Alleinerziehenden, die so wenig verdienen, dass sie nun keine Einkommenssteuer mehr zahlen müssen, ergeben sich aber erhebliche Einbußen beim Wohngeld. Das für den Wohngeldanspruch zu berücksichtigende Jahreseinkommen reduziert sich gemäß § 16 Wohngeldgesetz, wenn Pflichtbeiträge zu den Sozialversicherungen und Steuern auf das Einkommen gezahlt werden.

Entfällt dagegen die Einkommenssteuer durch den höheren Freibetrag in der Steuerklasse II, so erhöht sich das anspruchsrelevante Einkommen um 10 Prozent. Das führt nach einer aktuellen Recherche des MDR Thüringen zu einer erheblichen finanziellen Schlechterstellung, da die monatliche Steuerersparnis von wenigen Euro weit hinter der Wohngeldkürzung zurückbleibt. Geringverdienende Familien im Wohngeldbezug, die nur knapp über dem Existenzminimum leben, sind jedoch für ihre Lebenshaltung auf jeden Euro angewiesen.

Ein Wegfall des Wohngeldes gefährdet in den betroffenen Familien insbesondere die Bildungschancen und die gesellschaftliche Teilhabe der Kinder. Denn die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket gemäß § 6b des Bundeskindergeldgesetzes und die Befreiung von Kitagebühren gemäß § 90 Abs. 4 des Achten Sozialgesetzbuches sind mit dem Wohngeldanspruch verknüpft.

Aus Sicht der unterzeichnenden Organisationen kann es von der Politik nicht gewollt sein, dass gerade Alleinerziehenden mit kleinen Erwerbseinkommen die zusätzliche Steuerentlastung beim Wohngeld auf die Füße fällt und für sie nun ein Abrutschen in die Grundsicherung droht. Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass schnellstmöglich Korrekturen im Wohngeldrecht vorgenommen werden!

§ 16 des Wohngeldgesetzes kann folgendermaßen ergänzt werden: Bei der Berechnung des anspruchsrelevanten Einkommens greift immer dann ein 10-prozentiger Abzug vom Bruttoeinkommen, wenn es sich um Erwerbseinkommen handelt, auch wenn dies so niedrig ist, dass keine Lohnsteuer anfällt. Alleinerziehende, die erwerbstätig sind und wegen ihrer kleinen Einkommen keine Steuern zahlen müssen, könnten so wie bisher bei der Finanzierung ihrer Wohnkosten vom Wohngeld profitieren.

Alleinerziehende und ihre Kinder waren schon vor der Corona-Pandemie besonders stark von den steigenden Wohnkosten belastet und zu 42 Prozent überproportional armutsgefährdet. Ein Grund für die häufige Einkommensarmut in Einelternfamilien ist, dass sich Leistungen gewissermaßen „gegenseitig auffressen“, weil rechtliche Schnittstellen nicht aufeinander abgestimmt sind.

Wir fordern Sie deshalb eindringlich auf:

Bitte sorgen Sie dafür, dass nicht ausgerechnet Alleinerziehende mit kleinsten Einkommen bei den überfälligen Steuererleichterungen für Alleinerziehende durchs Raster fallen und unterm Strich weniger Geld zur Verfügung haben!


Mit freundlichen Grüßen
Hildegard Eckert
Bundesvorsitzende Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e.V.
Federführender Verband der Arbeitsgemeinschaft Interessenvertretung Alleinerziehender (AGIA)

Maria Loheide
Vorstand Sozialpolitik Diakonie Deutschland

Birgit Uhlworm
Bundesvorstandsvorsitzende Selbsthilfeinitiativen Alleinerziehender e. V. (SHIA)

Daniela Jaspers
Bundesvorsitzende Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV)